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Frauen würden sich zu billig auf Tinder verkaufen, schreibt Sarah Pines in ihrem Text. Aber stimmt das?   © Imago Images

Frauen bestimmen selbst

Eine Replik auf Sarah Pines’ Tinder-Kritik 
in «Das Magazin» Nr. 7

Text: Elena Lynch

Medium: DAS MAGAZIN, Nr. 10/2020, 7.3.2020

 

Sarah Pines beschreibt die Dating-App Tinder als nur scheinbaren Schauplatz weiblicher Selbstermächtigung und geschlechtlicher Gleichmachung. Unter dem kulturpessimistischen Blick der Autorin bleibt die App ein emanzipatorischer Rückschritt, weil auch auf ihr das alte, patriarchalische Machtgefälle weiterbesteht. Aber ist nicht die Vorstellung, dass Tinder egalitärer sein sollte als die Gesellschaft, die Tinder benutzt, bereits fragwürdig? Wie kommt die Autorin überhaupt zu dieser Annahme, die sie gewissermassen als Ausgangslage für ihre heftige Kritik nimmt? Vielleicht, weil Männer und Frauen «swipen» müssen, damit es zu einem Match kommt?

 

Zugegeben, auf den ersten Blick kann das fortschrittlich wirken. Aber auf den zweiten ist klar, dass sich diese Art des Kennenlernens nicht wirklich von anderen sexuellen oder romantischen Annäherungsversuchen unterscheidet. Auch früher – vielleicht nicht ganz früher, aber eben vor Tinder – mussten die Frauen einverstanden sein, damit etwas daraus werden konnte. Hätte sich meine Mutter damals nicht auf meinen Vater und den Kaktus, den er ihr beim ersten Treffen schenkte, eingelassen, würde es heute weder mich noch meine Schwester geben. Ob bei virtuellen oder analogen Matches, es gehören immer zwei dazu. Damals wie heute.

 

Laut Pines schwindet dieses – übrigens nicht beidseitige, sondern ausschliesslich männliche – Werben zunehmend aus der Gesellschaft. Tinder trägt dafür die Schuld. Davor mussten sich Männer ins Zeug legen, damit sie von der weiblichen (sexuellen) Gunst profitieren konnten. Heute bezahlten Männer höchstens noch einen Drink bei einem Date, so Pines. Bedauert die Autorin die Entwicklung, wenn sie schreibt, das Verhängnis jeder gesellschaftlichen Avantgarde (hier Tinder) sei, dass sie eine Tradition zerstört? Nun, ich bedauere das nicht.

 

Sarah Pines geht davon aus, dass die heterosexuelle Beziehung eine Art ökonomisches Tauschgeschäft ist. Indem Frauen den männlichen Mühen nachgeben und ihre Sexualität anbieten, können sie ihre materiellen Verhältnisse, ihren sozialen Status verbessern, schreibt sie. Der Körper als einziges weibliches Kapital in einem Kuhhandel sozusagen. Dass ein solches Beziehungsverständnis lange die Norm war, verstehe ich. Ich verstehe auch, wenn Frauen (und Männer) heute, trotz Emanzipation, in Beziehungen irgendeine Sicherheit suchen oder dass für sie Sexualität nur innerhalb einer heterosexuellen Beziehung stattfinden kann. Sicherheit gegen Sex, eigentlich eine Altlast, die aber in den Köpfen vieler weiterbesteht. Ich erinnere mich, wie eine frühere Mitbewohnerin Unverständnis darüber äusserte, dass die Frau, mit der unser gemeinsamer Mitbewohner damals schlief, bald ausser Landes sein würde und diese Beziehung keine Zukunft und damit für sie keinen Vorteil haben könne. Meine Mitbewohnerin ging wohl davon aus, dass Frauen nicht einfach Spass am Sex haben können um des Sex willen. Indem sich Frauen auf Tinder anmelden und sich dort sozusagen feilbieten, schreibt Pines, geben sie ein wesentliches Mittel, das ihnen gesellschaftliches Fortkommen garantiere, namentlich ihre Sexualität, auf. Darin liegt für sie der emanzipative Rückschritt: Frauen verkaufen sich auf der App zu billig, verlieren so ihr Kapital, weshalb sie keine männlichen Gegenleistungen mehr bekommen. Dass Männer in dieser Konstellation ebenso günstig im Angebot stehen wie Frauen, bedenkt die Autorin nicht. Wie dem auch sei.

 

Weil Männer nun, angeblich, en masse Frauenkörper auf dem Bildschirm serviert bekommen, müssen sie gar keinen Aufwand mehr betreiben. Also weder Kaktus kaufen noch Drinks bezahlen. Frauen seien auf Tinder sexuell verfügbarer als in der Bar oder anderswo. Ist das so? Sex auf Knopfdruck gibt es auch auf dem Handy nicht, zumindest nicht unbezahlten, auch wenn Pines vom Gegenteil ausgeht. Die Autorin behauptet (allerdings ohne Beleg, wie sie selbst einräumt), dass Tinder und die damit vermeintlich verbundene erhöhte sexuelle Verfügbarkeit von Frauen sogar die Prostitution als Business bedrohe. Wenn sie allerdings schreibt, dass Tinder Frauen auf ein Körperbild reduziert, so muss dem entgegnet werden, dass nicht allein die App objektiviert und potenziell sexualisiert, sondern immer auch das Auge des Betrachters. Nicht nur das Medium objektiviert, sondern immer auch sein Nutzer, online wie offline. Auffallend ist, dass Sarah Pines in all ihren Ausführungen Frauen stets als Be-Handelte, nie als Handelnde darstellt. Dass Frauen aber während des Annäherungsprozesses entscheiden können, ob sie weiterchatten wollen oder nicht, ob sie den Typ treffen wollen oder nicht, ob sie mit ihm schlafen wollen oder nicht und ob sie ihn danach wiedersehen wollen oder nicht – das alles ist für Sarah Pines keine Überlegung wert.